Bandscheibenvorfall oder Bandscheibenvorwölbung

Bandscheibenvorwölbungen = "Protrusio" (lat. protrusio=vorschieben)
NPP=Nucleus pulposus prolaps, Bandscheibenvorfall

Bei der Bandscheibenvorwölbung verlagert sich Bandscheibenmaterial in den Rückenmarkkanal. Der Faserring der Bandscheibe ist hierbei intakt. Beim Bandscheibenvorfall ist der äußere Faserring zerrissen/zermürbt und Bandscheibengewebe kann sich in den Rückenmarkkanal verlagern. Wenn sich Anteile der Bandscheibe lösen und als abgetrenntes Gewebestück im Rückenmarkkanal liegen, wird dies als Sequester bezeichnet.

Mögliche Symptome

Bandscheibenvorfall an der Lendenwirbelsäule:

  • Starke Schmerzen im unteren Rücken
  • Bewegungen sind schmerzhaft und eingeschränkt
  • Einschießende Schmerzen bei bestimmten Bewegungen
  • Der Rücken ist verkrampft, fühlt sich hart
  • Ausstrahlenden Schmerzen in das Gesäß oder die Beine
  • Kribbeln, Taubheit oder Schwäche im Bein

Die Schmerzen können typischerweise plötzlich ("Hexenschuss") in einer Bewegung, z.B. im Aufrichten, nach einem Heben oder im Drehen entstehen. Sie können aber auch langsam beginnen und sich zunehmend steigern.

Ursache

Durch die Verlagerung von Bandscheibengewebe in den Rückenmarkkanal kann es zu Einengungen des Rückenmarks oder von Nerven kommen. Nicht jeder Bandscheibenvorfall führt zu Reizungen von Nervenstrukturen, da das Rückenmark und die Nervenwurzeln von Flüssigkeit (Hirnwasser, Liquor) umgeben sind, die einen Reserveraum darstellt. 

 

Wie wird ein Bandscheibenvorfall festgestellt?


Ein Bandscheibenvorfall kann man nur in der Kernspintomographie (am besten) oder auch im CT (Computertomographie) feststellen. Gelegentlich ist jedoch aufgrund der Symptomatik, z.B. Sensibilitätsstörung oder Muskelschwäche, allein von der Symptomatik her ein Bandscheibenvorfall zu vermuten. Auch diese Vermutung muss aber mit der Kernspintomographie überprüft werden.

Allein vom Röntgenbild oder der Schilderung ihrer Beschwerden kann kein Bandscheibenvorfall diagnostiziert werden.

Wann muss man einen Bandscheibenvorfall operieren?


Erfreulicherweise lassen sich die meisten Bandscheibenvorfälle konservativ, d.h. ohne Operation behandeln. Ausnahmen sind Vorfälle mit deutlichen Lähmungserscheinungen oder wenn leichte muskuläre Schwächen unter der Behandlung zunehmend.

In seltenen Fällen kann auch Operation erwogen werden, wenn die Schmerzen trotz intensiver nicht operativer Behandlung nicht vollständig abklingen.

Vor einer Operation wird man in der Regel versuchen, alle anderen Behandlungsmöglichkeiten auszunutzen. Die Therapie stützt sich dabei einerseits auf die Minderung von Fehlhaltungen, Dysbalancen und die Reduzierung von schädigenden Einflüssen sowie andererseits auf die Verbesserung der muskulären Stabilität, die Optimierung der Beweglichkeit und das Erlernen eines wirbelsäulenfreundlichen Haltungs- und Bewegungsablaufes.

Ursachen der Abnutzung und Arthrose von Wirbelsäule und Bandscheiben


Übermäßige Bandscheibenabnutzung kann als Folge von Unfällen, chronischen Überlastungen, Fehlhaltungen oder als Folge einer angeborenen Schwäche entstehen. Aber nicht in allen Fällen lässt sich die genaue Ursache feststellen. Neben einer lokalen Behandlung der Arthrose der Wirbelgelenke und der damit einhergehenden Beschwerdesymptomatik, sollte immer versucht werden die Ursachen möglichst genau zu bestimmen. Nur so kann ein weiteres Fortschreiten der Abnutzung gezielt vermieden werden.

Ursachenforschung


Länger bestehende Fehlhaltungen führen fast automatisch zu einer asymmetrischen Gelenkbelastung. Bei Skoliosen (Seitverdrehung der Wirbelsäule), unterschiedlichen Beinlängen oder Fußfehlstellungen kann es zu Überlastungen der kleinen Wirbelgelenke und der Bandscheiben an nur einer Körperseite kommen. Im Wesentlichen sind es diese Faktoren, die zu einer übermäßigen Bandscheibenabnutzung beitragen und ungünstige Bandscheibenbelastungen hervorrufen können: Kiefergelenk und Kaumuskulatur (Craniomandibuläre Dysfunktion), Fehhlstatik, Fehlhaltungen, Innere Erkrankungen, Blockierungen, Folgen von Operationen, Umwelt- und Inwelt-Faktoren

Wie werden Fehlbelastungen am Rücken diagnostiziert?


Neben den Untersuchungen mit Röntgen und Kernspintomographie werden Funktionsuntersuchungen, die den Menschen in seiner Bewegung erfassen, genutzt. Der Vorteil dieser Methoden ist, dass sie ohne Strahlenbelastung auskommen und auch Ursachen erfassen, die sich aus einer Fehlbewegung oder falschen Haltung entwickeln:

  • 3D/4D-Vermessung der Wirbelsäulenstatik und Beinachse
    Strahlungsfreie, weil nur durch Lichtstrahlen erfasste, Untersuchung der Wirbelsäule im Stehen. So können unterschiedliche Beinlängen, ein Beckenschiefstand oder eine Skoliose, die zu asymmetrischen Kraftbelastungen der Bandscheibe und der kleinen Wirbelgelenke führen, festgestellt werden.
  • Isokinetik-Kraft- und Funktionstest
    Test zur Bestimmung der Kraft und Arbeitsfähigkeit der Rückenmuskeln.
  • Ultraschallgesteuerte Bewegungsuntersuchung
    Messung der Wirbelsäulenbeweglichkeit. Überbeweglichkeit oder eingeschränkte Bewegungsfähigkeit reduzieren die Belastungsfähigkeit der Wirbelsäule und erhöhen das Risiko für chronische Rückenschmerzen.
  • Gang- oder Laufanalyse mit Kraft- und Fußabdruckmessung
    Überprüfung der Gelenk- und Muskelfunktion, Messung der Kraft- und Stoßbelastungen der Wirbelsäule im Gehen. Ungünstige Dehnfähigkeit der Wadenmuskulatur oder Fußgewölbestörungen erhöhen die Belastung der Wirbelsäule.
  • Osteopathische Untersuchung
    Untersuchung von Funktionsstörungen im Zusammenspiel von Muskeln, Sehnen und inneren Organen und deren Auswirkungen auf die Wirbelsäule. Auch bei ausstrahlenden Beschwerden oder nach Unfällen.
  • Blutuntersuchung
    Zum Ausschluß von Entzündungen oder Wirbelsäulenrheuma.

Weitere Informationen auf unserer Homepage Bewegungslabor.de/Diagnostik Rückenbeschwerden

Und dann? Verhalten nach Bandscheibenvorfall


Arthrose oder Bandscheibenschäden müssen nicht auf Dauer zu Beschwerden, fortschreitender Abnutzung oder gar Operationen führen. Unter einer gezielten Behandlung, einem regelmäßigen Bewegungsprogramm und unter Beachtung einiger wichtiger Verhaltenshinweise für den Alltag, ist in den meisten Fällen eine weitere sportliche und schmerzfreie Lebensweise möglich.

Nach einem Bandscheibenvorfall oder bei einem Verschleiß im Bereich der Wirbelsäule ist es deshalb notwendig durch gezielte Maßnahmen einer weiteren Abnutzung vorzubeugen und wiederholte oder chronische Schmerzepisoden zu vermeiden. Dabei ist es besonders wichtig, die individuellen Ursachen der vorzeitigen Abnutzung, soweit möglich, zu erforschen, um weitere Fehlbelastungen vermeiden zu können.

Unser Vorgehen:
Konservative Therapie - Behandlung ohne Operation

Die Behandlung beginnt mit der genauen Schmerzschilderung

Der erste wesentliche Schritt, wenn wir die konservative Therapie gemeinsam planen, ist die genaue Schilderung Ihrer Beschwerden. Wo genau befinden sich die Beschwerden, sind die Schmerzen nur im Rücken oder strahlen Sie auch ins Bein aus, liegen Missempfindungen im Bein vor oder ein Schwächegefühl und besonders wichtig: Wann treten die Beschwerden auf, wodurch können Sie ausgelöst werden, wodurch können sie ggf. gelindert werden. Hierdurch erhaltene schon wichtige Hinweise zu den wahrscheinlich hilfreichen Therapieformen.

Weitere wichtige Hinweise zur Behandlung ergeben sich aus der körperlichen Untersuchung

Anschließend führen wir eine genaue körperliche Untersuchung durch. Hierbei ist wichtig, nicht nur den Rücken alleine anzuschauen, sondern insgesamt die Statik sowohl der Wirbelsäule und des Beckens zu beurteilen als auch die Funktion der Hüft-, Kniegelenke und Füße zu überprüfen. Der Rücken muss auf Schmerzpunkte,  Muskelverspannungen und –verhärtungen, Triggerpunkte,  Funktionsstörungen und Bewegungseinschränkungen untersucht werden.

Kofaktoren herausfinden

Der nächste wichtige Schritt ist das Herausfinden von weiteren Kofaktoren, um dann gezielt die Schwerpunkte der konservativen Behandlung festlegen zu können. Hierzu führen wir, je nachdem welche Punkte in der Untersuchung auffällig waren, eine ergänzende funktionelle Diagnostik durch.

Da Rückenschmerzen oftmals mit einer Veränderung der Muskulatur und der Fascien (bindegewebigen Hüllen) einhergehen können wir bei auffälligem Befund eine gezielte Elastographie der unteren Rückenmuskulatur und der großen bindegewebigen Hülle durchführen. Hier lässt sich die Elastizität der Muskulatur darstellen, was uns Hinweise auf lokale Verhärtungen/Triggerpunkte und Veränderungen im Faszienbereich gibt. Bei auffälligem Befund kann dann eine gezielte Triggerpunktbehandlung oder Faszientherapie in das Therapieprogramm eingeschlossen werden.

Auch die Überprüfung der Aktivität der Rückenmuskulatur mit einem EMG, vergleichbar mit dem EKG des Kardiologen, setzen wir zur Bestimmung der Rückenmuskulatur gerne ein. Hier lassen sich muskuläre Schon- und Schutzhaltung bei der Bewegung nachweisen. Sie führen die Bewegung zwar korrekt aus, z. B. Drehen sich nach rechts, nutzen aber nicht die Rückenmuskulatur, sondern nehmen andere Hilfsmuskeln. Selbst wenn Sie jetzt gezielt Drehübungen trainieren, werden Sie Ihre Rückenmuskulatur nicht kräftigen, weil sie gar nicht aktiviert wird.

Das Wichtigste -  die gezielte Therapieplanung

Abschließender Schritt der durchgeführten Diagnostik ist die Wichtung und Bewertung der nachgewiesenen Befunde. Selten liegen nur in einem Bereich Veränderungen vor. Häufig ist eine Kombination verschiedener Ansätze erforderlich, um erfolgreich zu sein.
Hier passieren die meisten Fehler, viele unserer Patienten hatten vorher schon die ein oder die andere Behandlung. Oft wurden aber die Behandlungen nicht in einem Konzept miteinander verbunden oder die Intensität und die Behandlungsinhalten waren nicht genau genug auf Ihre individuelle Symptomatik ausgerichtet.

Wenn wir aber Schmerzsymptome, die lokalen Befunde die Muskelverhärtung, Bewegungseinschränkungen und die diagnostischen Ergebnisse gleichermaßen berücksichtigen können wir eine sehr individuelle und damit oftmals nachhaltig erfolgreiche Therapie entwickeln.

Für einen nachhaltigen Erfolg:
Besser mehrere Behandlungsmöglichkeiten kombinieren

Die Beschwerden und die Einschränkungen im Alltag können bei einem Bandscheibenvorfall erheblich sein. Infolge der Schmerzen entstehen oft weitere Verspannungen, Muskelverhärtungen, muskuläre Dysbalance und Ausweichbewegungen.
Am Anfang der Therapie (Akutphase) steht deshalb auf die Schmerztherapie mit zusätzlichen Behandlungen zur muskulären Entspannung. Mit zunehmender Rückbildung der Beschwerden rücken dann andere Therapien, zumeist zur Kräftigung der Muskulatur, in den Vordergrund.

  • Lokale Schmerztherapie
  • Infiltrationen (Neuraltherapie oder gezielte Umflutung einer gereizten Nervenwurzel)
  • Schmerztherapeutische Akupunktur; muskelentspannende Schröpfmassage, Wärmeanwendungen (Infrarot) und Triggerpunkttherapie (Spineliner)
  • Fokussierte Trigger-Stoßwellentherapie zur Behandlung von Triggerpunkten, Verspannungen und Verhärtungen im Muskel- und Faszienbereich
  • Verbesserung des Bewegungsmusters (muskuläre Ansteuerung und Entspannung) durch eine neurophysiologische Trainingstherapie
  • Osteopathische Behandlungen
  • Verordnung von Krankengymnastik, Manuelle Therapie ggf. ergänzt um Wärme- oder Reizstromanwendungen
  • Krankengymnastik am Gerät zum Muskelaufbau nach Besserung der initialen Beschwerdesymptomatik
  • Ergonomische Arbeitsplatzberatung mit Anleitung zum bewegten Arbeitsalltag

Aus der gezielten Untersuchung Ihrer Wirbelsäule, der Gelenkfunktionen und der im Einzelfall typischen Alltagsbewegungen und Belastungen ergibt sich ein ganz auf Ihre individuelle Bewegungsart ausgerichtetes Therapieprogramm. Mit den aus der Analyse gewonnenen Therapievorschlägen kann oft eine erhebliche Verbesserung der Wirbelsäulenbelastung und eine Minderung des Fortschreitens der Arthrose erreicht werden.

Parallel zu den Übungen zur Verbesserung von Körperhaltung und Muskelkraft sollten, z.B. im Rahmen von Entspannungs-, Stressbewältigungs- oder Fitnesstrainings (Kurse oder individuelle Angebote) allgemeine Strategien zum aktivieren Umgang mit Alltagssituationen umgesetzt werden. Über einen Stress-, Entspannungs- oder allgemeinen Fitnesstest lassen sich auch in diesen Bereichen individuelle Inhalte für Ihre Bedürfnisse festlegen und die entsprechenden Trainings durchführen.

Zusätzlich zu diesen, mehr zur langfristigen Stabilisierung des Rückens ausgelegten Therapiemaßnahmen, können symptomatische Behandlungen zur Verbesserung des Knorpelstoffwechsels und zur Reduzierung der Entzündung, wie z. B. Injektionen von homöopathischen Medikamenten oder Hyaluronsäure, die Orthokintherapie und die Einnahme von knochenstoffwechselaktivierenden Medikamente erfolgen.