QIMOTO Blog & News

Liebe Leserinnen und Leser,

in diesem Blog möchte ich Sie über spannende Forschungsergebnisse, ganzheitliche Aspekte und neues von Qimoto informieren. Besonders dort, wo es gelingt, durch moderne Wissenschaft ganzheitliche Zusammenhänge besser zu verstehen oder altbewährte Erkenntnisse und Weisheiten in anderem Licht neu zu entdecken. 
Zusätzlich ist es mir wichtig Hilfen zur Selbsthilfe und zur persönlichen Entwicklung mit Ihnen zu teilen.

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31.10.2024
Halloween, Herbstgruß und Buchempfehlung

Liebe Patienten und Freunde von QIMOTO,

die Wege und Straßen sind voll gelber, rot-bräunlicher und hellgrüner Blätter. Die Tage werden kürzer, die Natur zieht sich zum Überwintern zurück. Der Wechsel der Jahreszeit ist nun überall – wenn auch klimabedingt verändert - sichtbar.

Wenn wir unseren evolutionären Genen und Hormonen folgen würden, so wie damals, als es noch keinen Strom, keine Heizung, keine 24/7 verfügbaren Nahrungsmittel gab, als es überlebenswichtig war, sich im Herbst auf den Winter vorzubereiten, um das Überleben unter eingeschränkten Bedingungen zu sichern – dann würden auch wir uns jetzt zurückziehen, uns einmummeln, weniger tun, Energie sammeln, entschleunigen und die Unterkunft vorbereiten.

Dieses natürliche Bedürfnis, sich zurückzuziehen, das "Depressive", hat uns in der Entwicklungsgeschichte der Menschheit das Überleben gesichert. Heute ist jedoch „natürlich“ alles anders: Die Jahreszeiten und der Rhythmus der Natur machen für unser Leben keinen Unterschied mehr aus.

Aber wie wäre es, wenn auch wir uns einmal eine Zeit des Rückzugs gönnen würden?
Wenn wir der uns ständig umgebenden Hektik sowie der medialen, visuellen und auditiven Beeinflussung entkommen könnten? Wenn wir einen Blick auf unser ureigenes Leben werfen könnten, statt uns von Werbung, "Unterhaltung" und dem Leben anderer ablenken zu lassen?

Oder wäre uns das zu unangenehm?
Erinnert uns der Herbst vielleicht an die Vergänglichkeit unseres eigenen Lebens? Oder sehen wir darin eine Chance?

Wie zufrieden sind wir mit der Art und Weise, wie wir dieses Jahr bisher verbracht haben?
Haben wir unsere Entwicklungsmöglichkeiten genutzt?
Oder sind wir uns selbst, anderen oder dem Leben etwas schuldig geblieben?

Wenn wir diese Fragen nicht nur nutzen, um dem nachzutrauern, was gefehlt hat oder nicht so war, wie wir es uns gewünscht hätten, sondern daraus die Kraft schöpfen, ab heute das zu tun, was uns im Inneren wirklich wichtig ist – dann haben wir viel an Leben gewonnen.

Nietzsche schreibt: „Lebe Dein Leben", denn nur wer wirklich gelebt hat, kann gut sterben.

Für alle, die diesen Herbst nutzen möchten, um sich auf eine Reise zu den für Sie wichtigen Dingen und letztlich zu sich selbst zu begeben, empfehle ich das Buch des bekannten Psychiaters und besonderen Psychotherapeuten Irvin Yalom: "In die Sonne schauen".

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen einen schönen Herbst.

Herzliche Grüße

Ihr Dr. Marco Gassen

01.01.2024
Guten Start in 2024! - Neue Kurse in der QIMOTO-Akademie

Liebe Patient*innen und Interessierte von QIMOTO
Lernen Sie von den Profis, unsere neuen Kurse sind genau auf Ihre Bedürfnisse ausgerichtet!
Im neuen Jahr werden wir wieder einige Kurse, Weiterbildungen und Vorträge anbieten. Aktueller Schwerpunkt dieses Jahr sind die kreativen Seminare zum ganzheitlichen Umgang mit Schmerzen, Verspannungen oder chronischen Beschwerden.

Zusätzlich bieten wir Seminare zum Thema Nackenschmerzen, Entspannung und Selbstbehandlung an.
Wir würden uns freuen, wenn für Sie etwas dabei ist.
Wenn Sie Fragen zu den Angeboten haben schreiben Sie uns bitte eine Mail.

Hier geht es direkt zu den Kursen.

In diesem Sinn wünsche ich Ihnen ein gutes Jahr 2024 mit vielen hilfreichen Erfahrungen und persönlichem Wohlbefinden,

Dr. Marco Gassen

24.12.2023
Weihnachtsgrüße 2023

Wir alle wünschen Ihnen allen ein ruhiges, frohes Weihnachtsfest mit schönen und erholsamen und besinnlichen Momenten im Kreis von Familie, Freunde und auch für Sie mit sich selbst.

Vielleicht nutzen Sie die „Rauhnächte, diese Zeit „zwischen den Jahren“, Vergangenes abzuschließen und neue Kraft zu tanken.

Nach dem germanischen Mondkalender war diese „Zeit außerhalb der Zeit“, eine spezielle wir Zeit, eine Zeit ohne Termine, Zeit zur Ruhe zu kommen, unerledigtes abzuschließen, Ballast abzuwerfen, Dinge loszulassen, die wir doch nicht erledigen können. Zeit frei zu werden für das Kommende, das damit schon beginnt.

Dafür gibt es viele Rituale im Außen: Aufräumen, ausmisten, weitergeben, im wahrsten Sinne: Entsorgen. Aber auch für Körper und Seele: Sauna, Spaziergänge, Entspannungsübungen, Atemübungen mit Konzentration auf das Ausatmen und Loslassen, um nur einige zu nennen.

Auch alte Rituale können uns helfen befreit in das neue Jahr zu gehen, oder Sie fragen ihr Bauchgefühl: Was wäre jetzt gut? Was wünscht sich unser Körper, unsere Seele, unsere inneren Anteile für diese Zeit?

Eine wunderbare Hilfe dafür sind die Anleitungen für den inneren Freiraum von Eugene Gendlin, dem Erfinder des Focusing.

In seinem kurz gefassten Taschenbuch „Focusing - Selbsthilfe bei der Lösung persönlicher Probleme“, beschreibt er gut und leicht lesbar, wie wir mit unserem inneren Wissen zu mehr Ruhe, Ausgeglichenheit und Zufriedenheit gelangen können.

Vielleicht mögen Sie ja zwischen den Jahren darin etwas schmökern – es lohnt sich!

Am 28.12. haben wir eine Akutsprechstunde für Notfälle, falls sie dort einen Termin benötigen, senden Sie uns bitte vorab eine E-Mail über den akut-Button auf unserer Webseite, wir melden uns am 28. früh morgens für den genauen Termin.

Unsere reguläre Sprechstunde beginnt wieder ab dem 04.01.2024

Wir wünschen Ihnen allerbeste Gesundheit und einen guten Start in das Neue Jahr!

Wir freuen uns, wenn wir Sie auch nächstes Jahr rund um das Thema Sportmedizin und differentielle Orthopädie betreuen können.

Ihr QIMOTO TEAM

Sandra Becker, Andrea Mönch, Nardine v. Stackelberg, Timo Bertelmann, Gianpiero DeMonte, Dr. Armin Ackermann, Dr. Marco Gassen

04.11.2023
Game Changer: Schmerz-Sensibilisierung

Schmerzsensibilisierung

Liebe Leser,
je länger Schmerzen bestehen, desto mehr Veränderungen entwickeln sich auch im Rückenmark und zentralen Nervensystem. Das Verständnis dieser zentralen Sensibilisierung wird dadurch zum "Game-Changer" in der Behandlung chronischer Schmerzen und verändert unsere Behandlungen von Grund auf.
Ich habe ihn die neuen Forschungsergebnisse kurz zusammengefasst und wünsche Ihnen viel Spaß beim Lesen.

Schmerzsensibilisierung, medizinisch als Zentrale Sensibilisierung bezeichnet, ist ein komplexes neurobiologisches Phänomen, das in der Schmerzbehandlung und aktuellen Schmerzforschung von großer Bedeutung ist.
Dieses Konzept beschreibt die Veränderungen im zentralen Nervensystem, die dazu führen, dass Schmerzreize verstärkt wahrgenommen werden. Es ist ein Schlüsselmechanismus bei der Entstehung und Aufrechterhaltung von chronischen Schmerzen. Umgangssprachlich könnte man auch von Schmerzallergie sprechen. Die Phänomene werden oft auch als Schmerzgedächtnis bezeichnet.

Ursachen

Zentrale Sensibilisierung entsteht durch eine Erhöhung der Schmerzempfindlichkeit im zentralen Nervensystem, insbesondere im Rückenmark und Gehirn. Dieser Prozess kann dazu führen, dass normale Schmerzreize als intensiver und schmerzhafter wahrgenommen werden, was zu anhaltenden Schmerzen und Überempfindlichkeit führt. Es hat weitreichende Auswirkungen auf die Lebensqualität von Betroffenen.

Vor der zentralen Sensibilisierung kann es zu peripherer Sensibilisierung kommen.
Das bedeutet, dass die Nervenenden in den Geweben empfindlicher auf Schmerzreize reagieren. Dies geschieht oft als Reaktion auf Entzündungen, Verletzungen oder chronische Reizungen. Bei einer frischen Verletzung ist es ganz normal, die Überempfindlichkeit soll dazu führen dass wir das Gewebe schonen damit die Heilung gut erfolgen kann. Manchmal bildet sich diese natürliche Hypersensibilität an der Verletzung nicht zurück. Wir sprechen dann von peripherer Sensibilisierung (das heißt nicht im Nervensystem, sondern an den Körperorganen).
Periphere Sensibilisierung ist dann ein Auslöser für die zentrale Sensibilisierung und trägt dazu bei, dass Schmerzreize verstärkt an das Rückenmark weitergeleitet werden.
Das Rückenmark spielt eine entscheidende Rolle bei der Verarbeitung und Modulation von Schmerzsignalen. Bei zentraler Sensibilisierung wird die Aktivität des Rückenmarks verstärkt, und es werden vermehrt Schmerzsignale an das Gehirn weitergeleitet. Dies führt dazu, dass Schmerzen intensiver wahrgenommen werden, selbst wenn die ursprünglichen Schmerzreize abgeklungen sind.

Besondere Bedeutung hat hierbei die „körpereigene Signalhemmung“. Es scheint dass diese nach manchen Verletzungen nicht mehr funktioniert, und so  störende Signale ungefiltert in Rückenmark und Gehirn weitergeleitet werden.
Ein einfaches Beispiel:

Normalerweise spüren wir den Druck unserer Kleider oder Schuhe im Alltag nicht. Trotzdem werden durch die Kleidung ständig tausende von Signalen über unsere Nerven ins Rückenmark und an unser zentrales Nervensystem weitergeleitet. Die körpereigene Hemmung führt normalerweise dann dazu, dass wir diese Signale ausblenden können, bzw. dass sie bereits im Rückenmark nicht weitergeleitet oder "gedämpft" werden.

Stellen Sie sich nur einmal vor, sie würden konstant den Druck ihres Strumpfes und eines festen Schuh spüren.
Dies würde extremen Stress verursachen und verständlicherweise wäre  das Ganze Nervensystem davon betroffen. Genau die fehlende Hemmung oder Dämpfung der Siganle ist ein wichtige Ursache der erhöhten Schmerzwahrnehmung.
Ganz normale Situationen können dann extreme Reizungen im Nervensystem auslösen.

Angst und Depression können die Folge sein
Bei chronischen Schmerzen, die durch zentrale Sensibilisierung verstärkt werden, treten in der Folge auch Veränderungen im Gehirn auf. Das Gehirn verarbeitet Schmerzreize intensiver und kann negative Emotionen verstärken. Zentrale Sensibilisierung kann somit zu psychischen Belastungen führen, einschließlich Angst, Depression und anderen psychischen Gesundheitsproblemen. 
Personen mit zentraler Sensibilisierung können eine erhöhte Empfindlichkeit gegenüber Schmerzen und anderen Reizen aufweisen. Selbst sanfter Druck oder Berührungen werden oft als schmerzhaft empfunden. Diese Überempfindlichkeit erstreckt sich oft über den gesamten Körper und wird als "Allodynie" bezeichnet.

Diagnose und Behandlung

Die Diagnose von zentraler Sensibilisierung erfordert eine sorgfältige Anamnese und klinische Untersuchung. Es gibt jedoch keine spezifischen Labortests oder Bildgebungsverfahren, die zentraler Sensibilisierung eindeutig nachweisen können. Stattdessen basiert die Diagnose auf den klinischen Symptomen, Fragebögen und der Krankengeschichte der Patienten.
Die Behandlung von zentraler Sensibilisierung erfordert oft einen multidisziplinären Ansatz, da sie verschiedene Aspekte des Schmerzsyndroms berücksichtigt. Hier sind einige der wichtigsten Behandlungsoptionen:

  • Medikamente werden häufig zur Schmerzlinderung bei zentraler Sensibilisierung eingesetzt. Dazu gehören:
    Antidepressiva, die die Schmerzverarbeitung beeinflussen und auch zur Behandlung von Schmerzen eingesetzt werden.
    Antikonvulsiva, die Nervenübererregbarkeit reduzieren können.
    Analgetika, die Schmerzen direkt lindern.
  • Physiotherapie
    Die physiotherapeutische Behandlung konzentriert sich auf die Verbesserung der Beweglichkeit und die Schmerzlinderung durch gezielte Übungen und Techniken.
  • Psychotherapie
    Psychotherapeutische Ansätze, wie die kognitive Verhaltenstherapie, können dazu beitragen, Schmerzen und psychische Symptome zu bewältigen, indem sie Strategien zur Schmerzbewältigung und Stressreduktion vermitteln.
  • Lebensstiländerungen
    Änderungen im Lebensstil sind ein wichtiger Teil der Behandlung von zentraler Sensibilisierung. Dazu gehören regelmäßige Bewegung, Entspannungstechniken, Stressmanagement und eine ausgewogene Ernährung.
  • Traditionelle Heilverfahren

    Hier ist insbesondere die Traditionell chinesische Akupunktur, zu nennen

  •  

    Moderne Therapieansätze

    Neue Forschungsergebnisse zeigen erfolgversprechende Ergebnisse mit peripherer Stimulation, z.B. durch die hochenergetische Stoßwellentherapie oder dass hochenergetische Magnetfeld (Magnet Induktionstherapie). Besonders deutlich scheint die Wirkung bei chronischen Nackenbeschwerden und Migräne zu sein, da hier über die Behandlung des Trapezius auch direkt Hirnareale im Trigeminuskerne aktiviert werden können.

Insgesamt ist die zentrale Sensibilisierung ein komplexes Phänomen, das das Verständnis von Schmerzen und deren Behandlung maßgeblich beeinflusst. Es betont die Notwendigkeit einer ganzheitlichen Herangehensweise und eines multidisziplinären Teams von Fachleuten, um Betroffenen wirksam zu helfen. Die Forschung zu diesem Thema ist kontinuierlich im Gange, da Wissenschaftler und Ärzte weiterhin Wege suchen, um die Auswirkungen der zentralen Sensibilisierung zu mildern und die Lebensqualität von Menschen mit chronischen Schmerzen zu verbessern.
Das Management von bereits bestehender zentraler Sensibilisierung erfordert deshalb einen umfassenden Ansatz, um die Schmerzen zu lindern und die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern.
Dies sollte in keinem Therapieprogramm chronischer Beschwerden unberücksichtigt bleiben!

 

 

Literaturquellen:

Woolf, C. J. (2011). Central sensitization: Implications for the diagnosis and treatment of pain. Pain, 152(3 Suppl), S2-S15.
Latremoliere, A., & Woolf, C. J. (2009). Central sensitization: A generator of pain hypersensitivity by central neural plasticity. The Journal of Pain, 10(9), 895-926.
Sandkühler, J., & Lee, J. (2013). How to erase memory traces of pain in the spinal cord and in the brain. Pain, 154(9), 1300-1301.
Latremoliere, A., & Woolf, C. J. (2009). Central sensitization: A generator of pain hypersensitivity by central neural plasticity. The Journal of Pain, 10(9), 895-926.
Tracey, I., & Woolf, C. J. (2007). Towards a definition of pain. In Towards a theory of neuroplasticity (pp. 1-27). CRC Press.
Gwilym, S. E., et al. (2009). Psychophysical and functional imaging evidence supporting the presence of central sensitization in a cohort of osteoarthritis patients. Arthritis & Rheumatism, 61(9), 1226-1234.
Edwards, R. R., & Fillingim, R. B. (2009). The association of multiple pain conditions with sex, lifestyle, and physical health. Pain, 110(1-2), 87-96.
Neblett, R., et al. (2013). The central sensitization inventory (CSI): Establishing clinically significant values for identifying central sensitivity syndromes in an outpatient chronic pain sample. The Journal of Pain, 14(5), 438-445.
Finnerup, N. B., et al. (2015). Pharmacotherapy for neuropathic pain in adults: A systematic review and meta-analysis. The Lancet Neurology, 14(2), 162-173.
Nijs, J., et al. (2013). Pain following exercise: Time course, specificity, and potential determinants. European Journal of Applied Physiology, 113(8), 1671-1680.
Eccleston, C., et al. (2009). Psychological therapies for the management of chronic and recurrent pain in children and adolescents. The Cochrane Database of Systematic Reviews, (2), CD003968.
Moseley, G. L., & Hodges, P. W. (2006). Are the changes in postural control associated with low back pain caused by pain interference? The Clinical Journal of Pain, 22(1), 10-18.

23.10.2022
Rückenschmerzen - Wann Operation?

Die Kriterien, wann bei Rückenschmerzen eine Operation durchgeführt werden sollte sind klar definiert und haben in den letzten 20-30 Jahren wenig relevante Veränderungen erfahren. In der Praxis erleben wir, dass sowohl in die eine Richtung, als auch in die andere Richtung von diesen Empfehlungen abgewichen wird. Wie lässt sich das erklären?

Spezialisierung - gut fürs Detail,
schlecht für das Abwägen zwischen verschiedenen Behandlungen

Ein entscheidender Faktor auf ärztlicher Seite ist die zunehmend sehr detaillierte Spezialisierung in allen Bereichen. Damit verbunden sind nahezu unweigerlich sehr eingeschränkte Kenntnisse und Erfahrungen über die Möglichkeiten der, alternativ zum eigenen Fachbereich, vorhandenen Therapien.
In der Orthopädie haben sich in vielen operativen Subdisziplinen Spezialbereiche entwickelt. Im Gegensatz zum Nicht-operativ tätigen Arzt gibt es nicht nur den Orthopäden der operiert, sondern es gibt auch für Rückenoperationen weitere Spezialisierungen,  eine Spezialisierung für große Wirbelsäulenoperationen, für Operationen mit kleinem Zugang, ein Spezialist für endoskopische Rückenoperationen und andere.
Für die einzelne Operation ist es hervorragend von einem Spezialisten der sich nur mit diesen Dingen beschäftigt, behandelt zu werden. Für den Überblick was im Einzelfall für den Patienten das Beste ist, kann dies sehr einschränkend sein.
Aber nicht nur im operativen Gebiet sind Spezialisierungen fest etabliert, auch beim nicht operativen Arzt gibt es Behandlungsschwerpunkte, die stark im Vordergrund stehen.
Dies kann durch die negative  Vorauswahl verstärkt werden, denn der Operateur sieht eher Patienten, bei denen das nichtoperative (konservative) Vorgehen zu keinem Erfolg geführt hat, der konservativ tätige Arzt sieht dahingegen eher Patienten, bei denen das operative Vorgehen nicht in Frage kommt oder nicht geholfen hat. Und natürlich fließen auch persönliche Erfahrungen und Einstellungen des Arztes und die äußerlichen Rahmenbedingungen mit in die Therapieempfehlung ein.

Die Wirkungen von konsequentem Training  und Übungen wird oft unterschätzt

Auf Patientenseite werden die Möglichkeiten und die Wirksamkeit der selbst durchzuführenden Behandlungen in vielen Fällen unterschätzt. Zu oft erwarten Patienten das eine bestimmte Behandlung Sie, ohne ihr weiteres dazu tun, von ihrem Rückenschmerz befreit. Der gleiche Wunsch treibt in die Operation oder eine bestimmte Behandlungsform, verspricht sie doch mit einem Schlag von allen Beschwerden erlöst zu werden. Unterstützt wird dieser Wunsch von selbstbewussten Heilern und Schmerzbefreiern auf beiden Seiten.
Doch die Situationen in denen dies gelingt, sind insbesondere bei chronischen Rückenschmerzen eher die Ausnahme. Wenn wir jedoch berücksichtigen, welche Faktoren zum Rückenschmerz geführt haben und welche Veränderungen zusätzlich im Rahmen des wiederholten Auftretens von chronischen Beschwerden entstehen, wird dies schnell verständlich.

Eine grundsätzliche und schnelle Antwort auf die obige Frage lässt sich dehalb pauschal nicht erstellen, zu unterschiedlich sind die einzelnen Situationen und Verläufe, zu vielfältig verzweigen sich mögliche Vorgehensweisen.

Operation nur in bestimmten Fällen !

Nur eins lässt sich sicher sagen und hier stimmen die wissenschaftlichen Empfehlungen überein: Es gibt nur sehr wenige Situationen, in denen eine Operation, vor Ausschöpfung nicht operativer Behandlungen, durchgeführt werden sollte.
Ganz im Vordergrund stehen dabei Rückenschmerzen mit Kraftschwäche oder Lähmung im Bein, in seltenen Fällen auch von Blase oder Darm. Bei dem letztgenannten muss umgehend die Operation erwogen werden, bei dem Ersteren kann ein nicht operativer Behandlungsversuch erfolgen. Sollte sich die Lähmung nicht zeitnah verbessern oder gar zunehmen, ist auch hier zu einer Operation zu raten.
In allen anderen Situationen lautet die Empfehlung: Erst dann eine Operation in Erwägung zu ziehen, wenn mit  anderen Behandlungsverfahren keine Verbesserung erreicht werden konnte. 
Aber auch dann muss erst geprüft werden, ob mit einer Operation gute Chancen bestehen, die Beschwerden zu reduzieren. Nicht selten kann auch die Operation keine Schmerzfreiheit versprechen.

Mechanische Erklärung ist die Ausnahme!

Insofern lenkt uns die Frage in die falsche Richtung, geht sie doch implizit davon aus, dass die Operation am Ende eines möglichen Behandlungspektrums bei Rückenschmerzen steht. Sie scheint auch vorauszusetzen, dass die Ursache von Rückenschmerzen etwas ist, das man im Zweifel, oder wenn gar nichts anderes hilft, operieren kann (oder muß?).
Der Wunsch und die Vorstellung einer schnellen und über allem stehenden Lösung ist menschlich verständlich,  basiert aber noch auf einem sehr mechanistischen Verständnis. Dabei nehmen wir an, dass wenn die spezielle Ursache beseitigt ist, auch die Wirkung, der Schmerz, entschwindet. Man nennt das einen monokausalen Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung.
In der Physik wurde dieses einfache Modell für die Erklärung der um uns herum geschehenden Dinge schon lange erweitert. Nicht, dass ein mechanisches Verständnis damit vollkommen obsolet wäre, wir müssen aber davon ausgehen, dass in unserer komplexen Welt und natürlich auch in unserem Mikrokosmos-System Mensch, dieses mechanistische Erklärungsmodell nur für sehr ideale und eher seltene Fälle taugt.
Wenn wir nur Bruchteile der Erkenntnisse aus der postmechanistischen Entwicklung der Physik, Relativitätstheorie, Quantenmechanik, Chaostheorie, Systemtherorie, der systemischen, neurologischen, pschyolgischen Forschung berücksichtigen, ergibt sich automatisch ein weiteres und dann mehr multikausales Wirkungsgeflecht.

Die, dem heutigen medizinischen und wissenschaftlichen Stand entsprechende Formulierung der Frage sollte also lauten:
Wann ist eine Operation bei Rückenschmerzen notwendig?

Operationen bedeuten immer einen größeren Eingriff in die körperliche Integrität und sie bergen, im Gegensatz zu nicht operativen Behandlungen, allein durch den Akt des operativen Eingriffs, das Risiko schwerwiegender Komplikationen. Die körperlichen Risiken nicht operativer Behandlungen sind demgegenüber minimal.
Allein aus diesem Grund Bedarf es für die Entscheidung zu einer Operation einer differenzierten Abwägung. Die wichtigste Voraussetzung dabei ist die Einschätzung, wie gezielt und mit welcher Sicherheit durch die Operation der Schmerz beseitigt werden kann. Außer in den bereits aufgeführten Fällen in denen ein Bandscheibenvorfall oder eine Enge des Nervenkanales zu einer muskulären Schwäche geführt hat, ist dies erfahrungsgemäß schwierig. Je nach Profession und Erfahrung des zurate gezogenen Arztes/Therapeuten kann die Vorstellung dann  zu einer anderen Bewertung führen.

Zusammenfassend lässt sich daraus folgern: Sofern keine  gravierende Lähmung vorhanden ist, sollte eine Operation nur dann erwogen werden, wenn mehrere Faktoren gleichzeitig vorliegen:
 

1. Es besteht ein eindeutiger Zusammenhang der Rückenschmerzen mit einer definierten strukturellen Veränderung. Die zugrunde liegenden Veränderungen sind:

  • Einengungen der Nervenkanäle (enger Rückenmarkskanal, Einengung der Nervenaustrittslöcher aus der Wirbelsäule) durch abnutzungsbedingte Veränderungen oder Bandscheibenmaterial.
  • Relevante Instabilitäten oder Fehlhaltung (Wirbelgleiten, Skoliose).
  • Unabhängig von den eigentlichen Rückenerkrankungen müssen natürlich andere Ursachen wie Infektionen, Tumor, Erkrankungen der die Wirbelsäule umgebenden Organe, gegebenenfalls operativ angegangen werden.

2. Nichtoperative Behandlungsverfahren wurden ausreichend, individuell angepasst und dosiert, ausgeschöpft.